Was tun, wenn das Baby immer schreit
Babys, die viel weinen und schreien, gab es schon immer. Früher wurden sie oft als Schreibabys bezeichnet oder man redete auch gerne und schnell von den Dreimonatskoliken, welche die Kinder plagten und schreien ließen. Heute wird zunehmend von Regulationsstörung gesprochen, wenn ein Baby sehr viel weint und schreit. Oft tritt dies vor allem in den Abendstunden auf. Aber es gibt Abhilfe.
Es ist die alte Henne-Ei-Frage: Schreit das Kind vermehrt, weil das Bäuchlein weh tut oder schreit das Kind so viel und verschluckt dabei so viel Luft, dass das Bäuchlein gebläht ist? Blähungen und Bauchschmerzen spielen sicherlich eine Rolle, aber sie werden auch überschätzt.
Generell gilt: Babys, die vermehrt schreien, sollten neben den Vorsorgen, die ja mit vier Wochen, vier Monaten und sechs Monaten ohnehin stattfinden, nochmals kinderärztlich untersucht werden, um eine organische Ursache sicher auszuschließen. Zudem ist es sehr wichtig für die Eltern, vom Kinderarzt beraten zu werden. Denn fast alle sind sehr schnell sehr gestresst und besorgt, wenn ihr Baby zu viel weint und müssen empathisch und wertschätzend unterstützt/gecoacht werden.
Aber wie viel Schreien ist denn nun „zu viel" Schreien? Von einer Regulationsstörung spricht man, wenn ein Baby mehr als drei Stunden pro Tag an mindestens drei Tagen die Woche schreit und das Ganze mindestens drei Wochen anhält. Bis zum 3. Lebensmonat trifft dies auf rund 15 Prozent aller Babys zu, mit einem halben Jahr sind es lediglich noch knapp drei Prozent.
Klare Ursachen gibt es leider keine. Man geht davon aus, dass es einfach Babys gibt, die sich selbst weniger herunterregulieren können als andere, die vielleicht auch empfindsamer auf Geräusche oder Störungen in ihrer Umgebung reagieren. Schreien ist eben für lange Zeit das einzige Kommunikationsmittel eines Babys. Das heißt: Ein Baby weint, wenn es Hunger hat oder Schmerzen, wenn ihm zu kalt oder zu warm ist, wenn ihm langweilig ist, wenn es nicht in den Schlaf findet ... Und es ist völlig normal, dass Eltern oft auch Zeit brauchen, um diese Kommunikation richtig zu verstehen.
Leider droht oft ein Teufelskreis: Eltern werden unruhig, besorgt und dadurch hektisch und das Baby, das eigentlich danach schreit (sprich: verlangt), beruhigt zu werden, wird noch fahriger, weil es mit feinen Antennen die elterliche Not und Unsicherheit spürt. Folge: Es schreit noch mehr und die Eltern werden noch verunsicherter ...
Deswegen ist das oberste Gebot: Ruhe bewahren und Ruhe ausstrahlen. Das ist theoretisch sehr einfach, praktisch extrem schwierig. Hier eine Anleitung: Nicht zu viele, ständig sich ändernde Beruhigungsversuche unternehmen, nicht das Baby mal so, mal so tragen, nicht hin- und herlaufen usw. Meist ist dies kontraproduktiv. Stattdessen: sich hinlegen, sich das weinende Baby auf die Brust legen, das Weinen aushalten, dem Kind mit ruhiger sicherer Stimme ab und an zureden und Körperkontakt halten. Wenn dies gelingt, dann stehen die Chancen gut, dass das Baby zunehmend lernt, sich selber zu regulieren.
Klar ist aber auch: Eltern können so nur agieren, wenn sie selbst gut drauf und ausgeruht sind, nicht übernächtigt sind, keine Sorgen um das Wohl ihres Babys haben. Nicht minder wichtig ist es darum, sich ein soziales Netzwerk, ein Unterstützungssystem, aufzubauen. Optimalerweise können das die Großeltern oder Freunde sein, denen man zutraut, auch mal auf das Baby aufzupassen, damit man selbst Zeit für etwas Erholung hat. Oder man holt sich Hilfe bei einer Organisation wie WELLCOME oder den FRÜHEN HILFEN, deren Mitarbeiter in die Familie kommen und für stundenweise Entlastung sorgen. Unterstützung in welcher Form auch immer ist das Allerwichtigste.
Die gute Botschaft zum Schluss: Normalerweise wird es bei jedem Baby nach und nach besser. Und wenn ihr erstes Kind ein Schreibaby war, ist das kein Grund zur Panik bei der nächsten Schwangerschaft.
Links:
WELLCOME
FRÜHE HILFEN
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